Es muss verrückt klingen, aber ich verspüre keine Angst. Meine Hände liegen ruhig auf der Steuerfläche des Jägers, das blaue Licht fängt sich in den Härchen auf meiner Hand, mein Herz schlägt langsam und kräftig in meiner Brust, mein Atem ist ruhig. Ich schwitze nicht einmal, obwohl ich in Stresssituationen durchaus dazu neige. Das ist wohl eins der Vermächtnisse meines emotional distanzierten Vaters. Seltsam, dass gerade er mir jetzt durch den Kopf geht. Natürlich sagt man, die Vergangenheit ziehe an einem vorbei, kurz bevor man stirbt, aber von all meinen bewegenden, wichtigen, grausamen und schönen Erinnerungen holt mein Hirn mir gerade ihn ins Gedächtnis? Mein Leben besteht aus so viel mehr! Nehmen wir meine wundervolle Frau, unsere gemeinsame Tochter, die so vor leben glüht, dass ihr niemand jemals etwas abschlagen könnte, oder gar die Erinnerung an meinen verstorbenen Sohn, dessen Leben kaum begonnen hatte, als es gewaltsam beendet wurde.. Oder meine wichtige Rolle bei dem Angriff. Ich habe ihre Schiffe zu erst entdeckt. Die Fremde Spezies, die ohne jeden Grund unsere Heimat, so viele unserer Freunde und Familien getötet hat, ist vor 18 Minuten aus dem Nichts aufgetaucht. 18 Minuten? Die Zeit scheint für mich ihre Bedeutung verloren zu haben. Es fühlt sich an wie Sekunden, gleichzeitig aber wie ein ganzes Leben. Sie griffen sofort an, meine Zeit blieb stehen. Mein Funkspruch ging in dem Moment raus, als unsere Welt in Flammen aufging. In diesem Moment starb ich. Nicht physisch, denn ich sitze in dem kleinen Jäger, unbemerkt von den Feinden, die mir alles nahmen. Meine Frau, meine Tochter, mein Heim. Und nun bald das letzte, mein Leben. Eine Säure tobt in meinem Innern, die Schmerzen, der Verlust zerfressen mich innerlich. Aber äußerlich bin ich so unsagbar ruhig, ich kann so klar denken, wie nie zuvor in meinem 32 jährigen Leben. Sobald ich den Druck auf die Steuerfläche erhöhe, auf der meine Hand flach ausgestreckt ist, wird sich der Schub meines Jägers vervielfachen. Er ist so klein im Gegensatz zu diesen riesigen Schiffen, die mich an widerwärtige Insekten erinnern. Vielleicht sehen sie mich ja nicht, vielleicht kann ich es tatsächlich schaffen, ihre Schwachstelle aufzudecken und sie an meinen Bruder auf dem großen Trägerschiff zu übermitteln, bevor ich sterbe. Dann hätten die Soraz etwas in der Hand, würden sich rächen und ich würde die Geschichte verändert haben, nicht umsonst gestorben sein. Mein Herz schlägt schneller, als ich den Druck verstärke. Es wird funktionieren! Ich werde ganz heimlich - was ist das? ... NEIN! ..
Die letzte Standortübermittlung des Technikers Jevin Valgur erfolgte zur Zeit des großen Angriffs, direkt neben den Schiffen der Feinde. Es gibt keine lebenden Angehörigen, die benachrichtigt werden können. Sein Name steht mit Tausenden anderen in der Datenbank der Soraz, im Gedenken an ihre Gefallenen.